Wie faszinierend der Kreislauf des Lebens auf kleinstem Raum funktioniert, kann man bei Streifzügen durch den Wald auf einer „Ranne“ erleben. Schau diesen ganz besonderen Waldkindergarten genau an und nimm dir ein paar Minuten Zeit, es lohnt sich!
Es ist arg eng auf dem verwitternden Baumstumpf, auf dem sich der Waldkindergarten „Ranne“ drängt, um Sonnenlicht und Nährstoffe für das gesunde Wachstum zu ergattern! Der Fachbegriff „Ranne“ hat natürlich nichts mit frühkindlicher Entwicklung zu tun, sondern mit der natürlichen Waldverjüngung. Er bezeichnet liegendes Totholz, das als Nährboden für Baumkeimlinge dient. Wer solch einen bemoosten Baumstumpf genauer betrachtet, entdeckt ein vitales Kleinbiotop und den dramatischen Kampf von Baumwinzlingen ums Überleben…
Nährstoffe für den zarten Mini-Baum
Regenwasser und vor allem Pilzgeflechte setzen nach und nach im verwitternden Holz Nährstoffe wie Zucker, Proteine und Stärke frei, die eine Vielzahl von Mikroorganismen ernähren. Auch die Hinterlassenschaften von Insekten wirken wie Dünger und liefern so Nährstoffe für den zarten Nachwuchs von Fichten, Buchen, Tannen und Vogelbeere. Zusätzlich wärmt die Wintersonne den Holzstumpf, der Keimling auf der Ranne kann sich schneller entwickeln als seine kleinen Konkurrenten im verschneiten Waldboden; auch der Schatten von Gräsern, Farnen oder Stauden ist im frühen Wachstumsstadium minimal.
Der kräftigste Baum-Rüpel setzt sich durch
In den schwammigen Holzschichten und im Moos ist außerdem viel Wasser gespeichert, das zarte Bäumchen nutzt somit ideale Wuchsbedingungen und entwickelt sich schnell zu einer kräftigen Jungpflanze. Rücksicht und der Schutz der schwächeren Triebe spielen in diesem Waldkindergarten jedoch keine Rolle, denn der Platz auf dem nahrhaften Stumpfbiotop ist eng, nach einigen Jahren hat der kräftigste Fichten-Rüpel oder die Vogelbeere mit den längsten Ästchen das Terrain erobert – und die anderen Pflänzchen vertrocknen, verkümmern, sterben ab. Survival oft he fittest.
Lebensziel: ökologisch stabile Waldverjüngung
Manchmal kann man im Wald auch meterlange, dicht bewachsene Stammreste sehen, auf denen sich Jungholz in einer ordentlichen, bunten Reihe angesiedelt hat; auch auf Windwurfflächen finden die Samen der umstehenden Bäume ideale Unterlagen, was man u.a. bei den abwechslungsreichen 365xWandertouren durch die überaus vitalen Totholzhänge des Nationalparks Bayerischer Wald, im Nationalpark Harz oder auch im Schwarzwald bestens erkennen kann. Innerhalb von wenigen Jahren schafft die Naturverjüngung über Rannen eine vielfältige, ökologisch stabile Waldwildnis, wo früher stramm und langweilig die Fichtenreihen in den Himmel ragten.